Selbsthilfe Schlafapnoe Koblenz & Umland e.V.
Selbsthilfe Schlafapnoe Koblenz & Umland e.V.

Januar

Schlafstörungen bei Kindern –

auch die Eltern leiden mit

 

Wenn Kinder mit Schlafstörungen oder schlafbezogenen Erkrankungen unbehandelt bleiben, kann das zu ernsthaften Gesundheitsproblemen führen: Gedeihstörungen, Lernprobleme, ja sogar Verhaltensauffälligkeiten können die Folge sein. Und nicht zuletzt leidet auch die Nachtruhe der Eltern, wenn ihre Kinder nicht gut schlafen. Doch wie soll man solche Probleme diagnostizieren und behandeln, wenn es kaum Schlaflabore für die Kleinen gibt? Das renommierte Kinderkrankenhaus Olgahospital im Klinikum Stuttgart hat vor kurzem dazu beigetragen, diese Lücke zu schließen,

und ein Kinderschlaflabor eröffnet. Dr. Markus Blankenburg (Chefarzt der Abteilung Pädiatrische Neurologie, Psychosomatik und Schmerztherapie am Olgahospital, Klinikum Stuttgart) beschreibt die häufigsten Schlafstörungen bei Kindern – und was man dagegen tun kann.

 

Einen Auszug aus dem Gespräch der Redaktion des „Schlafmagazin“ mit  Herrn Dr. Blankenburg geben wir hier wieder. Den Wortlaut des vollständigen Gespräches und weitere Informationen zum Thema können Sie beim Vorstand der Selbsthilfe Schlafapnoe Koblenz erhalten.

 

Mit welchen Schlafstörungen stellen Eltern

ihre Kinder besonders oft bei Ihnen vor?

Dr. Blankenburg:

Ein Unterschied zwischen schlafgestörten Erwachsenen und Kindern besteht darin, dass bei Kindern eher die Folgen des Schlafproblems – beispielsweise Konzentrationsstörungen, ADHS oder Unruhezustände bei Tage – im Vordergrund stehen. Da müssen wir hellhörig werden und gezielt nach dem Schlaf fragen; denn von selbst berichten die Kinder meistens nicht darüber, dass sie schlecht schlafen. Wir haben festgestellt, dass ungefähr zwei Drittel dieser Kinder und Jugendlichen Schlafstörungen haben, und zwar zum Teil sehr ausgeprägte. Oft liegen sie abends bis zu drei Stunden lang wach; oder sie haben einen stark unterbrochenen Schlaf und wachen immer wieder auf, z. B. durch epileptische Anfälle, die auch nachts auftreten können. Viele Kinder mit neurologischen Erkrankungen leiden auch unter Störungen des Schlafzyklus.

Was macht man mit solchen Kindern?

Dr. Blankenburg:

Man kann ihnen das „Schlafhormon“ Melatonin medikamentös verabreichen, und zwar ungefähr eine Stunde vor dem gewünschten Einschlafzeitpunkt. Bei manchen Kindern wirkt das hervorragend.

Und wie sieht es mit Ein- und Durchschlafstörungen

bei Kindern aus?

Dr. Blankenburg:

Es ist sehr wichtig, solchen Schlafstörungen bei Kindern nachzugehen, weil man ihnen oft sehr gut helfen kann. Viele Schulkinder leiden aufgrund eines erhöhten sympathischen Nerventonus unter Einschlafproblemen. Oft sind das gute Schüler, die einen sehr hohen Leistungsanspruch an sich selbst haben und alles perfekt machen wollen. Sie machen sich oft Sorgen darüber, ob sie ihre Schularbeiten auch richtig erledigt haben, ob sie gut genug auf die Klassenarbeiten vorbereitet sind oder ob sie bestimmte Noten erreichen werden. Solchen Kindern kann man mit einer kurzen psychotherapeutischen Behandlung sehr gut helfen. Und dann gibt es auch Jugendliche mit Schlafwahrnehmungsstörungen.

 

Was kann man dagegen tun?

Dr. Blankenburg:

Da muss man zunächst einmal herausfinden, wo die Ursache liegt. Viele dieser Jugendlichen haben zusätzlich eine Angststörung oder Depression, die behandelt werden muss. Doch am allerwichtigsten ist es, die Patienten darüber aufzuklären, dass das nichts Gefährliches ist, sondern nur eine Befindlichkeitsstörung. Wenn sie das hören, geht es ihnen oft schon viel besser.

 

Wie kommt es, dass so junge Menschen schon

solche Probleme haben?

Dr. Blankenburg:

Ich glaube, das ist so: Man wacht morgens aus irgendeinem Grund auf, fühlt sich wie zerschlagen und denkt: „Das muss daran liegen, dass ich schlecht geschlafen habe.“ Wenn das mehrmals hintereinander vorkommt, fängt man an, sich Sorgen zu machen: „Was wird heute Nacht? Morgen habe ich eine Klassenarbeit, da muss ich fit sein.“ Und was passiert, wenn man sich Sorgen macht und denkt: „Heute Nacht werde ich sicher nicht einschlafen“? Dann trifft genau das ein!

Brauchen solche Patienten auch eine Psychotherapie?

Dr. Blankenburg:

Normalerweise reicht schon ein Aufklärungsgespräch, in dem man ihnen sagt, dass das ganz normal ist und bei vielen Menschen vorkommt. Dadurch verschwindet dieses Problem bei mindestens zwei Dritteln der Patienten von selbst. Noch häufiger kommen Kinder zu uns, die unruhig schlafen. Das kann an einem Restless Legs Syndrom (RLS) liegen, bei dem Unruhe und Missempfindungen in den Beinen den Schlaf stören. Diese neurologische Erkrankung kommt bei Kindern und Jugendlichen zum Glück seltener vor als bei Erwachsenen. Manche leiden auch unter nächtlichen Schmerzen. Diese sogenannten Wachstumsschmerzen gehen ebenfalls oft mit Bewegungsunruhe einher. Auch das kann man im Schlaflabor sehr gut diagnostizieren.

 

Wie behandelt man Wachstumsschmerzen

oder unruhigen Schlaf bei Kindern?

Dr. Blankenburg:

Das Wichtigste ist auch hier wieder, die Kinder bzw. deren Eltern über das Krankheitsbild aufzuklären. Bei Wachstumsschmerzen helfen nicht steroidale Antirheumatika wie Ibuprofen oder Diclofenac. Beim Restless Legs Syndrom kommt es darauf an, wie ausgeprägt die Symptome und vor allem die negativen Folgen dieser Erkrankung bei Tage sind. Ein RLS kann man – ebenso wie bei Erwachsenen – mit Dopaminpräparaten behandeln, wobei man mit solchen Medikamenten bei Kindern aber eher zurückhaltend sein sollte und oft auch noch andere Möglichkeiten finden. 

 

Was tun Sie, wenn Eltern zu Ihnen kommen

und sagen: „Mein Kind schnarcht“?

Dr. Blankenburg:

Wenn es ein Kleinkind ist, das schnarcht und durch die Nase schlecht Luft bekommt, gehen die Eltern meistens direkt zu den HNO-Kollegen. Manche kommen aber auch erst zu uns. Bei solchen Patienten kann man im Schlaflabor sehr gut erkennen, wie ausgeprägt das Schnarchen ist und wie sehr es den Schlaf stört. Zu den unangenehmen Folgen gehört Tagesschläfrigkeit; die tritt aber eher bei Erwachsenen auf, während bei Kindern häufiger Konzentrations- oder Aufmerksamkeitsstörungen im Vordergrund stehen. In solchen Fällen muss man nach der Ursache des Schnarchens suchen. Wenn vergrößerte Mandeln daran schuld sind, kann man diese chirurgisch verkleinern oder entfernen; danach schlafen die Kinder wieder gut. Manchmal ist auch eine Beatmungstherapie mit einer Maske

und einem CPAP-Gerät erforderlich, die die Atemwege nachts offen hält. Bei Patienten mit Schlafapnoe müssen wir unterscheiden zwischen Kindern, die wegen einer Vergrößerung der Mandeln schnarchen und vielleicht zusätzlich noch übergewichtig sind, und Kindern mit neurologischen Erkrankungen, bei denen die Zunge aufgrund einer Muskelkrankheit schlaff ist und in den Rachen zurückfällt: Oft funktioniert bei solchen Kindern aufgrund einer

Gehirnerkrankung aber auch der Atemantrieb nicht richtig, sodass immer wieder zentrale Atemstillstände auftreten. Solche Kinder leiden oft unter einem Mischbild aus obstruktiver und zentraler Schlafapnoe, was für die Therapie wichtig ist.

 

Wann müssen Kinder ins Schlaflabor?

Dr. Blankenburg:

Immer dann, wenn eine Veränderung des Schlafs vorliegt, also z. B. bei Verdacht auf eine Schlafapnoe, aber auch bei einer Schlafwahrnehmungsstörung – also dem subjektiven Gefühl, dass sich der Schlaf verändert hat. Ist so ein Aufenthalt im Schlaflabor für die Kinder denn nicht sehr belastend?

 

Können sie da überhaupt richtig schlafen?

Dr. Blankenburg:

Im Schlaflabor passiert nichts, was weh tut. Deshalb ist es eigentlich keine so große Belastung; denn die meisten Kinder, die zum Arzt oder ins Krankenhaus müssen, rechnen mit einer Spritze. Aber wir müssen den Kindern viele Kabel anlegen, was natürlich auch zu Ängsten und Unruhe führen kann, sodass die Ergebnisse der Schlafuntersuchung in der ersten Nacht oft tatsächlich verändert sind. In der zweiten Nacht funktioniert es dann aber immer gut. Deshalb untersuchen wir Kinder grundsätzlich

zwei Nächte lang im Schlaflabor.

 

Darf bei kleineren Kindern ein Elternteil mit

im Schlaflabor übernachten?

Dr. Blankenburg: Auch bei den Größeren dürfen Vater oder Mutter im Schlaflabor mit dabei sein, wenn sie das wünschen; das entscheiden die Familien selbst. Aber bei den Kleineren ist in der Regel immer ein Elternteil dabei.

 

Was sollen Eltern tun, deren Kinder schlecht schlafen und bei denen es keine Kinderschlafambulanz und kein Kinderschlaflabor in Wohnortnähe gibt? Wissen Kinderärzte denn auch über Schlafstörungen bei Kindern Bescheid?

Dr. Blankenburg:

Das ist sehr unterschiedlich. Manche Kinderärzte kennen sich gut damit aus, andere eher nicht. Bei den häufigeren Schlafstörungen wie beispielsweise Schnarchen kann der Kinderarzt schon mal eine Verdachtsdiagnose stellen und das Kind eventuell zum HNO-Arzt schicken. Aber für eine genaue Diagnose (oder wenn der HNO-Arzt zwar eine Vergrößerung der Mandeln feststellt, sich aber nicht ganz sicher ist, ob das wirklich die Ursache der Schlafstörung ist) muss das Kind ins Schlaflabor.

 

Wie viele Kinderschlaflabore gibt es deutschlandweit?

Sind wir einigermaßen flächendeckend

mit solchen Schlaflaboren versorgt,

sodass die Eltern mit ihren Kindern nicht zu

weit fahren müssen?

Dr. Blankenburg:

Das ist unterschiedlich. In manchen Bundesländern gibt es genügend Kinderschlaflabore, in anderen eher nicht. Aber solche Untersuchungen müssen ja selten notfallmäßig stattfinden, sodass ein gewisser Anfahrtsweg kein Problem ist.

 

PD Dr. Markus Blankenburg leitet die Abteilung Pädiatrische Neurologie, Psychosomatik und

chmerztherapie am Olgahospital. Dort werden

Kinder und Jugendliche mit neurologischen Erkrankungen

sowie mit Schmerzen, Schlafstörungen und

psychosomatischen Funktionsstörungen behandelt.

Außerdem umfasst die Abteilung ein Kinderschlaflabor

mit zwei Polysomnografie - Ableitplätzen.

Den Artikel haben wir dem "Schlafmagazin" Ausgabe 4/2020 entnommen

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